Anklamer Erklärung

der Teilnehmer*innen des „Jugendforums Bioökonomie“

im Rahmen des Wissenschaftsjahres 2020/21 – Bioökonomie

Umweltzerstörung, Ressourcenverbrauch, Rückgang der Artenvielfalt und zunehmende klimatische Veränderungen sind globale Herausforderungen von größter Dringlichkeit, vor denen unsere und künftige Generationen in den kommenden Jahrzehnten stehen werden. Eine innovationsgetriebene Umstellung unserer Wirtschaftsform, weg von fossilen Rohstoffen, hin zu einer nachhaltigen, biobasierten Wirtschaftsweise – der Bioökonomie – zeigt eine mögliche Lösung für die anstehenden Probleme auf.

Das Wissenschaftsjahr des Bundesministeriums für Bildung und Forschung 2020/21 steht vor diesem Hintergrund unter dem Schwerpunktthema „Bioökonomie“. Wir, Schüler*innen aus fünf Gymnasien im östlichen Mecklenburg-Vorpommern, haben uns in diesem Rahmen intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt. Gemeinsam mit der Hochschule Neubrandenburg, der Universität Greifswald, der Förder- und Entwicklungsgesellschaft Vorpommern-Greifswald mbH und der WITENO GmbH etablierten wir das „Jugendforum Bioökonomie“ und führen seit April 2021 regelmäßig Veranstaltungen durch. Wir engagieren uns in dem Bewusstsein, dass die Bioökonomie angesichts fortschreitender gravierender ökologischer und ökonomischer Problemlagen nicht nur konkrete Lösungen für die oben genannten Menschheitsfragen bereitstellt, sondern auch große Chancen und Potenziale für die Wirtschaft unseres Bundeslandes bietet.

Als künftige Wissenschaftler*innen, Unternehmer*innen und politische Entscheidungsträger*innen ist es uns wichtig, frühzeitig aktiv in die nun anstehenden Transformationsprozesse eingebunden zu sein, eigene Standpunkte zu diesen wichtigen Fragen zu entwickeln und auch zu kommunizieren – letztlich unsere eigene Zukunft mitzugestalten. Wir begrüßen es daher sehr, dass Formate wie das Wissenschaftsjahr des BMBF oder regional die Bioökonomiekonferenz Anklam das Thema Bioökonomie und damit auch die Anliegen der Jugend in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rücken.

In zahlreichen Vortragsveranstaltungen, Workshops, Exkursionen und Seminaren haben wir uns mit Unterstützung von Studierenden, Wissenschaftler*innen und Unternehmer*innen mit der Bioökonomie intensiv vertraut gemacht, Wissen erworben und Handlungsoptionen diskutiert. Dazu haben wir in Arbeitsgruppen fünf Kernthemen bearbeitet, die wir mit Blick auf die Potenziale und Bedarfe unserer Region als wesentlich ansehen. Es waren dies:

  1. Bioökonomie und Ernährung
  2. Bioökonomie und Produkte
  3. Bioökonomie, Klima und Umwelt
  4. Bioökonomie, Politik und Gesellschaft
  5. Bioökonomie und Region

Vor allem haben wir uns gemeinsam Standpunkte erarbeitet, die wir mit Blick auf die Zukunft unseres Landes – auf unsere Zukunft – aktiv vertreten wollen und werden:

  • Die Umstellung der fossilbasierten Wirtschaft auf nachhaltige bioökonomische Lösungen bietet praktikable Ansätze, um anstehenden ökologischen, ökonomischen, klimatischen und sozialen Problemstellungen erfolgreich zu begegnen.
  • Angesichts drängender und ungelöster Menschheitsfragen sehen wir die bioökonomische Transformation der Wirtschaft als Notwendigkeit, um eine lebenswerte Zukunft für unsere und die nachfolgenden Generationen zu gewährleisten.
  • Bioökonomie ist kein Allheilmittel für die oben genannten Probleme, kann aber in vielen Bereichen sinnvoll zur Lösung der genannten Probleme beitragen.
  • Eine erfolgreiche bioökonomische Umstellung ganzer Volkswirtschaften passiert nicht von heute auf morgen. Es bedarf langjähriger gemeinsamer Anstrengungen aller Akteure in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft.
  • Die Umstellung auf bioökonomisch begründete Wirtschaftsweise ist komplex und berührt zahlreiche politische, ökonomische, ökologische, soziale und auch ethische Fragen. Sie kann nicht an den Menschen vorbei verordnet werden. Sie wird dann erfolgreich sein, wenn alle Teile der Gesellschaft eingebunden und mitgenommen werden.
  • Konkretes Wissen über bioökonomische Produktionsweisen ist bislang noch nicht ausreichend verbreitet. In weiten Teilen der Bevölkerung herrscht Unklarheit über die Potenziale, Chancen und konkreten Ansätze der Bioökonomie.
  • Mecklenburg-Vorpommern ist ein Bundesland mit großen Flächen, einer effizienten Landwirtschaft, leistungsfähigen Forschungseinrichtungen und einer gut aufgestellten verarbeitenden Industrie. Vor dem Hintergrund dieser Voraussetzungen bietet die Bioökonomie daher gerade in unserem Bundesland große Chancen für wirtschaftliche Entwicklung.

Ausgehend von diesen Feststellungen haben wir an Sie, die politischen Entscheidungsträger*innen sowie die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Akteur*innen, die folgenden Erwartungen und Forderungen:

  1. Wir sprechen uns für die Etablierung einer „Bioökonomieregion östliches Mecklenburg-Vorpommern“ aus. Der Standort soll vor dem Hintergrund seiner hervorragenden Voraussetzungen Vorreiter in der Bioökonomie werden.
  1. Von den politischen Parteien erwarten wir, dass sie sich mit dem Thema Bioökonomie ernsthaft auseinandersetzen und dass ihre Förderung Eingang in ihre Programme findet.
  1. Bioökonomisches Wirtschaften muss staatlicherseits unterstützt werden. Unternehmen mit bioökonomischer Ausrichtung müssen steuerlich begünstigt und durch Subventionen unterstützt werden, um Wettbewerbsfähigkeit gegenüber konventionell wirtschaftenden Unternehmen herzustellen.
  1. Umgekehrt müssen zur Unterstützung der Transformationsprozesse staatliche Subventionen für klima- und umweltschädliche Wirtschaftsformen schrittweise abgebaut werden, sofern es klima- und umweltfreundlichere Alternativen gibt.
  1. Innovationen in der Bioökonomie sind zu fördern, u. a. durch Investitionen in Forschung und Entwicklung, um das immense Potenzial, das in dieser Wirtschaftsform liegt, umgehend zu realisieren. Angesichts der Dringlichkeit neuer und innovativer Lösungen müssen Forschung und Entwicklung themen- und methodenoffen gefördert werden.
  1. Bürokratische, regulatorische und rechtliche Hürden sowie vermeidbare Hemmnisse, die der bioökonomischen Transformation entgegenstehen, sind schnellstmöglich zu beseitigen.
  1. Wir wenden uns gegen jede Form von „Greenwashing“. Es ist zu prüfen, inwieweit ein zertifiziertes Bioökonomiesiegel mit transparenten Kriterien eingeführt werden kann, um nachhaltige Produkte zu kennzeichnen und deren Akzeptanz beim Verbraucher zu erhöhen.
  1. Bioökonomische Produktion darf nicht zulasten der Nahrungsmittelproduktion erfolgen. Generell sind ethische Gesichtspunkte in jedem Aspekt der Bioökonomie zu berücksichtigen.
  1. Bioökonomische Produktion benötigt zahlreiche verschiedene pflanzliche Rohstoffe. Die Landwirte müssen bei der Diversifizierung im Anbau von Nutzpflanzen unterstützt werden.
  1. Auch bei einer bioökonomischen Transformation der Wirtschaft müssen die Belange des Natur- und Umweltschutzes berücksichtigt werden. Maßnahmen, Projekte und Strukturen müssen daher stets auf ihre mittel- und langfristigen Auswirkungen auf Umwelt und Ökologie im Sinne starker Nachhaltigkeit geprüft werden. Die Produktion von pflanzlichen Rohstoffen für Nahrungsmittel und Produkte muss nachhaltig sowie umwelt- und klimafreundlich erfolgen.
  1. Die Wertschätzung von Lebensmitteln muss in jeder Weise gefördert werden. Es ist nicht vertretbar, dass gewaltige Produktionsmengen aus vermeidbaren Gründen verworfen oder verschwendet werden.
  1. Es ist nicht länger vertretbar, dass riesige landwirtschaftliche Nutzflächen den Bedarfen der Massentierhaltung vorbehalten sind, bzw. eigens für diese umgewandelt werden. Generell müssen die Massentierhaltung hinterfragt und pflanzenbasierte Alternativen zum Fleischkonsum gefördert werden.
  1. Wissen über Potenziale, Chancen und konkrete Ansätze der Bioökonomie muss breit vermittelt werden. Wir fordern, dass die Bioökonomie in die Lehrpläne aufgenommen und in den Schulen interdisziplinär vermittelt wird. Aktionen, Projekte und Formate, die über das Thema informieren, müssen unterstützt werden.

Von Ihnen, den politischen Entscheidungsträger*innen, den Unternehmer*innen und gesellschaftlichen Akteur*innen erwarten wir, dass Sie unsere Standpunkte und Forderungen aufnehmen, diskutieren und umsetzen.

Wir wollen dazu mit Ihnen in den Dialog kommen!

Wir haben darauf ein Recht, denn es ist unsere Zukunft, für die Sie heute die Weichen stellen. Es ist die Zukunft Ihrer Kinder und Enkel!

Anklam, 26. Oktober 2021